Der Behindertenbeauftragte Haack zum Behindertengleichstellungsgesetz

Berlin, den 28. Februar 2002

Das Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen wurde heute im Deutschen Bundestag verabschiedet. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Behinderten, Karl Hermann Haack, erklärt dazu:
Ein Gesetz, das alle angeht
Gleichstellung und Barrierefreiheit als politische und gesellschaftliche Ziele gesetzlich verankert / Das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes wird umgesetzt

"Im Jahre 1994 wurde das Grundgesetz in seinem Art. 3 Abs. 3 um den Satz ergänzt: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Seitdem erwarten die behinderten Menschen, dass aus diesem Grundsatz gelebte gesellschaftliche Wirklichkeit werden kann. Mit der heutigen Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen kommen wir diesem Ziel einen großen Schritt näher: Gleichstellung und Barrierefreiheit werden als politische und gesellschaftliche Kategorien gesetzlich verankert.

Die Entstehung des Gesetzes selbst ist ein Beispiel für Gleichstellung in der Praxis: Als Experten in eigener Sache haben behinderte Menschen, insbesondere das Forum behinderter Juristinnen und Juristen, nicht nur im Januar 2000 einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt, sondern sie haben als Mitarbeiter in der Projektgruppe Gleichstellungsgesetz des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung an der Gesetzgebung selbst mitgewirkt. Diese Beteiligung geht weit über das übliche Maß an Gesprächen und Anhörungen hinaus; sie ist beispielgebend auch für andere Bereiche der Politik, insbesondere der Gesetzgebung.

Das Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen setzt Maßstäbe. Barrierefreiheit wird dort als Begriff und als ein Kernziel definiert. Gemeint ist damit nicht nur die Beseitigung räumlicher Barrieren für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte, sondern auch der ungehinderte Zugang blinder und sehbehinderter Menschen zur Kommunikation in den elektronischen Medien und zur selbständigen Teilnahme an Wahlen. Behinderten Menschen wird ermöglicht werden, alle Lebensbereiche wie bauliche Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände und Kommunikationseinrichtungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe zu nutzen. Dafür werden verschiedene Bundesgesetze im Bereich Bahn-, Luft- und Nahverkehr sowie das Gaststätten- und Hochschulrahmenrecht geändert. Wesentlich für die Umsetzung des Gesetzes und beispielhaft für seinen bürgerrechtlichen Ansatz der Teilhabe ist das neue Instrument der Zielvereinbarungen. Hier können Behindertenverbände unmittelbar in Verhandlungen mit der Wirtschaft treten, um den jeweiligen Verhältnissen angepasste flexible Regelungen zur Herstellung von Barrierefreiheit zu treffen.

Das Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen setzt auch einen Maßstab für die Bundesländer. Behinderte Menschen, die Bundesregierung und ich als Beauftragter erwarten nicht nur die Zustimmung des Bundesrates zu diesem gesellschaftspolitisch bedeutsamen Gesetz, das am 1. Mai 2002 in Kraft treten soll. Wir erwarten auch, dass jetzt alle Bundesländer mit gleichem Schwung und mit dem gleichen Geist der Zusammenarbeit mit den betroffenen Experten daran gehen, Landesgleichstellungsgesetze für die Regelungsbereiche zu erarbeiten, für die sie die Kompetenz besitzen, z.B. im Baurecht sowie im Schul- und Hochschulrecht.

Das Gleichstellungsgesetz ist ein Gesetz, das alle angeht. Barrieren schränken nicht allein den Lebensraum und den Alltag behinderter Menschen ein, sie sind oft auch Hindernisse für ältere Menschen oder für Familien mit Kindern. Das Gleichstellungsgesetz konkretisiert aber über seine einzelnen Formulierungen hinaus auch einen Auftrag an alle, Barrierefreiheit zum Normalzustand der gestalteten Umwelt und zur Richtschnur alltäglichen Denkens und Handelns zu machen.

Mit dem Gleichstellungsgesetz schließt die Bundesregierung - vorläufig - eine behindertenpolitische Bilanz ab, die sich sehen lassen kann: Im Herbst 2000 wurde das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter verabschiedet; im Juli 2001 trat das Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen in Kraft. Ein Gesetzentwurf zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht wird in diesen Tagen durch das Bundesministerium der Justiz fertiggestellt.

Die Bundesregierung und ich als ihr Behindertenbeauftragter werden auch weiterhin gemeinsam mit den behinderten Menschen auf dem Weg der Integration und Selbstbestimmung fortschreiten."

 

Anmerkung der Deutschen Gesellschaft: Das Behindertengleichstellungsgesetz können Sie sich hier ansehen.

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