Beisetzungsfeier für Papst Johannes Paul II: Keine Untertitelung

(13. 4. 2005) Jens Hessmann informierte uns über seinen Kontakt mit der ARD-Zuschauerredaktion des Ersten Deutschen Fernsehens. Er hatte kritisiert, dass die Beisetzungsfeier für Pabst Johannes Paul II ohne Untertiteleinblendung gesendet worden war. Hier der Schriftwechsel: Liebe Frau Niemann,

vielen Dank für Ihre schnelle und freundliche Reaktion! Ich will nicht besserwisserisch erscheinen und kann mir, denke ich, Zwänge, unter denen die Programmgestaltung steht, vorstellen, erlaube mir aber doch zwei Anmerkungen zu Ihrem Schreiben:

- 60.000 Sendeminuten im Jahr sind gewiss nicht zu verachten, erscheinen allerdings weitaus weniger beeindruckend, wenn man sich den Gesamtsendeumfang der ARD verdeutlicht. Betrachten Sie doch wirklich unter diesem Gesichtspunkt einmal eine durchschnittliche Fernsehwoche. Ich glaube, Sie wären wenig befriedigt über das Ihnen zugängliche Angebot.

- Der Hinweis auf die Schwierigkeiten einer Untertitelung der heutigen Veranstaltung überzeugt mich leider auch recht wenig. Live-Untertitelung ist in der ARD bei deutlich weniger gewichtigen Anläswen wie etwa Sportübertragungen durchaus möglich. Davon, dass qualitativ hochwertige Untertitelungen auch bei Live-Sendungen mit hohem Sprechanteil grundsätzlich zum Standard von Sendeeinrichtungen gehören können, konnte ich mich des öfteren bei Auslandsaufenthalten überzeugen. Ganz offensichtlich ist die ARD, was diesen speziellen Service betrifft, sei es in technischer Hinsicht oder in Hinblick auf die Qualifikation der zuständigen Mitarbeiter, nicht auf der Höhe der Zeit.

Es bleibt für mich also dabei: Das heutige Fehlen von Untertiteln bei der Beisetzungsfeier für Papst Johannes Paul II ist ein Indiz dafür, dass Untertitelungen im Deutschen Fernsehen nach wie vor nicht als ein selbstverständlicher Bestandteil des öffentlichen Sendeauftrags (von dem, nebenbei gesprochen, nicht allein Hörgeschädigte profitieren würden!), sondern als ein gut gemeintes und gewiss, soweit vorhanden, nützliches Zugeständnis an behinderte Menschen verstanden werden. Wer in meinem Bereich tätig ist, weiß, dass das gut Gemeinte, aber nicht gut und ausreichend Gemachte häufig und nicht ohne Grund als beleidigend empfunden wird. Daran wird sich erst dann etwas ändern, wenn die qualitativ hochwertige Untertitelung von Fernsehauwstrahlungen zur fraglosen Selbstverständlichkeit und auw der Ausnahme die Regel geworden ist.

Dafür, dass Sie meine Kritik den Programmverantwortlichen zur Kenntnis geben werden, danke ich Ihnen herzlich.

Mit besten Grüßen
Jens Heßmann


Am 08.04.2005 um 14:42 schrieb die Zuschauerredaktion:

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Heßmann,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Die Untertitelung von Sendungen ist vor allen Dingen zeitlich sehr aufwändig. Gerade bei von uns selbst produzierten Veranstaltungen - und darum handelte es sich bei der heutigen Trauerfeier in Rom - gestaltet sich die Untertitelung oftmals als zeitlich schwer realisierbar. Der tatsächliche Ablauf der Zeremonie wurde uns erst vor wenigen Stunden zur Verfügung gestellt. Unsere Kommentatoren hatten nur Anhaltspunkte zu den Eckpunkten der Veranstaltung und mussten daher aktuell auf das Geschehen eingehen und dieses ohne weitere Vorbereitung kommentieren. Auch die Moderationen vor und nach der Messe erfolgten improvisiert, da man flexibel auf die Ereignisse reagieren musste.
Wir bitten um Entschuldigung, dass sich die heutige Veranstaltung aufgrund ihrer kurzen zeitlichen Vorplanung nicht für eine Untertitelung eignete. Für Ihre Kritik haben wir jedoch großes Verständnis und werden Sie den Programmverantwortlichen zur Kenntnis geben.
Das Erste Deutsche Fernsehen ist stets bemüht, auch Angebote für Hör- und Sehbehinderte zu schaffen. Der Anteil an Sendungen, die hier spezielle Services bieten, erhöht sich kontinuierlich, da uns die Nachfrage durchaus bewusst sind.
In der Anlage dürfen wir Ihnen dazu einmal darlegen, welche Bemühungen die ARD auf diesem Sektor bereits tätigt.

Sehr geehrter Prof. Dr. Heßmann, wir danken für Ihre Ausführungen. Sie geben einen wichtmgen Hinweis darauf, welchen Widerhall unsere Arbeit findet. Zuschriften wie Ihre verpflichten uns zu ständigem Nachdenken darüber, ob unsere Sendungen den Erwavtungen unserer Zuschauer gerecht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Barbara Niemann
ARD-Zuschauerredaktion
Erstes Deutsches Fernsehen
Tel. 089/5900-3344
Fax 089/5900-4070
E-Mail: info@DasErste.de
http://www.daserste.de


Gesendet: Freitag, 8. April 2005 13:30
An: Zweites Deutsches Fernsehen; Erstes Deutsches Fernsehen
Cc: Deutscher Gehörlosenbund; Deutscher Schwerhörigenbund; Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsovge; Katholische Kirche in Deutschland; Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und Schwerhörigen; Verband der Katholischen Gehörlosen Deutschlands (VKGD); Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen; Evangelische Kirche in Deutschland
Betreff: Beisetzungsfeier für Papst Johannes Paul II: Keine Untertitelung

An
den Vorsitzenden der ARD, Herrn Prof. Dr. Thomas Gruber
und den Intendanten des ZDF, Herrn Markus Schächter

Sehr geehrte Herren,
ich nehme die von Ihren beiden Anstalten heute übertragene Trauerfeier füv Papst Johannes Paul II zum Anlass, einen alltäglichen Ärger zum Ausdruck zu bringen. Sicherlich stimmen Sie mit mir darin überein, dass diese Trauerfeier ein Ereignis darstellt, dass eine sehr große Zahl von Menschen unterschiedlichsten Hintergrunds bewegt. Keine Ihrer beiden Anstalten hat offenbar einen Gedanken darauf verwendet, dass dazu auch eine nicht geringe Zahl von Menschen gehört, denen das gesprochene Wort, Geräusche und Gesang unzureichend oder gar nicht zugänglich sind. Videotextseiten, die Ihre Anstalten für Untertitelung vorsehen, haben hörgeschädigte Menschen am heutigen Vormittag vergeblich aufgesucht. Das Geschehen auf dem Petersplatz in Rom ist für sie stumm geblieben.

Bevor Sie sich zu Ihrer Entlastung die mir wohlbekannten Bemühungen Ihrer Anstalten, auch hörgeschädigten Menschen eine anteilige Teilnahme am Fernsehprogramm zu ermöglichen, in Erinnerung rufen, bitte ich Sie, sich für einen Moment in die Situation eines Menschen zu versetzen, der nicht hört, und dabei vielleicht gar ein Gefühl der Beschämung zu~ulassen. Der Blick in eine beliebige Programmzeitschrift lehrt, dass die Situation heute nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellt - trot~ "Tagesschau", "heute journal", "Tatort" und einiger weniger anderer Sendungen.

Ich schreibe Ihnen diese spontanen ^eilen als jemand, der beruflich mit Gehörlosigkeit befasst ist, aber auch als jemand, der erlebt hat, mit welcher Beglückung seine gehörlose Frau während eines Englandaufenthalts das Fernsehangebot der BBC wahrgenommen hat. Untertitelung ist hier die Regel und nicht, wie bei uns, die Ausnahme. Es ist also möglich. Warum nicht auch bei uns?

Bitte sehen Sie mir die freimütige Meinungsäußerung nach. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die mich, wie gesagt, nicht nur heute mit Zorn und - als jemand, der selbst nicht mit einem Hörproblem leben muss - Scham erfüllt.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Heßmann

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